Der Beitrag stammt von August 2018, ist aber immer noch sehr aktuell
Kürzlich sprach ich an der Oxford University (St. Jones College) über Antisemitismus. Ich unterschied dabei drei Spielarten von Antisemitismus:
> den alten Nazi-Antisemitismus;
> den «New Antisemitism», der in der Welt des Islam und seiner Diaspora in Europa gedeiht;
> den in Europa florierenden linken Antisemitismus.
Ich konzentrierte mich auf den Fall Deutschland, wo die Linken in der Solidarität mit Islamisten als angebliche Opfer der Juden versuchen, sich von der deutschen Schuld des deutschen Mordes an sechs Millionen Juden reinzuwaschen. Der neue Antisemitismus, sowohl der Linken als auch der Islamisten, verkleidet sich als Anti- Zionismus und als «Israel Bashing». Die Opfer von gestern, also die Juden, werden zu Tätern.
Die Links-Grünen haben bisher den moralischen Druck der Flüchtlingskrise 2015/2016 dazu ausgenutzt, Andersdenkende als Nazis zu stigmatisieren. Selbst diejenigen Demokraten, die die links-grüne Veredelung des Fremden nicht mitmachten und auf die Tatsache hinwiesen, dass die Newcomer aus Nahost mehrheitlich Antisemiten seien, wurden so behandelt.
Langsam zerbröckelt dieses Narrativ, und die Menschen nehmen wahr, dass die Links-Grünen über den neuen Antisemitismus schweigen. Der jüdische Wissenschaftler Michael Wolffsohn prangert in der NZZ «die radikalisierte muslimische Minderheit» und ihren «wachsenden Antisemitismus» an und gibt zu bedenken: «Viele Juden wollen auswandern.»
Beschämende Geschehnisse
Plötzlich wird die deutsche Presse wach. FAZ und Welt berichten nach einem antisemitischen Angriff, dass sich unter den zehn Tätern syrische Flüchtlinge befänden. Früher hat man «von Personen» gesprochen. Die Bild-Zeitung veröffentlichte einen Bericht unter der Überschrift «Antisemitischer Übergriff: Ich schlitze dir die Kehle auf, Scheiss-Jude».
Selbst die Süddeutsche Zeitung, die militant dem links-grünen Narrativ folgt, kann über die Schande nicht schweigen und berichtet von Brennpunkt-Schulen: «Muslimische Jugendliche sind in den Fokus gerückt. In Berlin wurde ein jüdischer Junge von muslimischen Mitschülern bedroht und geschlagen.»
Im europäischen Ausland wird das Merkel-Deutschland als das bessere Deutschland gefeiert, selbst der zurückhaltende Economist spricht positiv von «Cool Germany». Die FAZ fragt, ob dies zutreffe, und schreibt: «In Deutschland geschieht heute, was man vor wenigen Jahren noch für undenkbar gehalten hätte. Der Davidstern wird verbrannt, jüdische Schüler werden bedroht …» Ist das cool?
Von diesen beschämenden Geschehnissen möchte ich in diesem Artikel ausgehen und die Frage stellen, ob die Deutschen ihren Mord an sechs Millionen Juden aufrichtig aufarbeiten. Deutschland nach 1945 bekommt ein neues Gesicht durch zwei Prozesse: erstens Verwestlichung und zweitens Entnazifizierung durch Ächtung eines jeglichen Antisemitismus.
Veröstlichung Deutschlands
Was habe ich als Muslim aus Damaskus damit zu tun? Ich habe mit dieser Geschichte nichts zu tun. 1962 kam ich als antisemitisch sozialisierter Syrer nach Deutschland. Das Studium bei zwei grossen jüdischen Professoren, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, veränderte mein Leben dermassen, dass ich 1994 mit dem Rabbiner Albert Friedlander den jüdisch-islamischen Dialog gründete. In jenen Jahren war es normal, gegen den Antisemitismus zu sein.
Ich beobachte jedoch, dass unter dem Merkel-Regime ein neues Deutschland beginnt, in dem sowohl die Verwestlichung als auch die Ächtung des Antisemitismus aufhören zu existieren. In einem BaZ-Artikel 2017 sprach ich sogar von einer Veröstlichung Deutschlands unter Merkel. Es ist nicht so, als würden deutsche Politiker den Antisemitismus verleugnen, aber Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue Generalsekretärin der CDU, sieht in der Bild am Sonntag die Gefahr nur bei «alten Nazis, Neonazis und Rechtspopulisten». «Diese Leute sind eine Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland.»
Noch skandalöser äussert sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Zwar räumt er ein: «Die Verantwortung für die Vergangenheit ist Inhalt und Massstab unseres heutigen Denkens und Handelns.» Er spricht auch von «Aufarbeitung der Schuld». Wie reagiert aber dieser Bundespräsident auf den zunehmenden Antisemitismus? Er redet den islamischen Antisemitismus klein: «Es gibt zwar Antisemitismus bei denen, die zugewandert sind, aber im Kern ist Antisemitismus unser deutsches Problem.» weiter