Derzeit vollzieht sich weitgehend unbemerkt eine Entwicklung auf der Schnittstelle zwischen Informationswissenschaft und Biotechnologie. Einer der Hauptplayer ist Microsoft. Es geht darum, DNA, synthetisch hergestellte DNA, als Speicher für Informationen zu benutzen.

DNA besteht aus Nukleotiden oder Basen, aus vier Basen: Adenine, Cytosine, Guanine und Thiamine (A, C, G oder T). Speichermedien, die derzeit im Handel sind, arbeiten auf Basis von binären Codes, kennen also nur die Werte 1 und 0. Die Idee, DNA als Speichermedium zu nutzen, setzt somit ein neues Coding voraus: 00 -> A; 01 -> C, 10 -> G und 11 -> T.

Jede Zelle im menschlichen Körper enthält ein menschliches Genom. Ein menschliches Genom besteht aus ca. 6 Millionen Basenpaaren, die in 23 Chromosomen-Sets organisiert sind. In der DNA dieser Chromosome sind rund 1,6 Gigabytes an Information gespeichert. Jede menschliche Zelle enthält somit 1,6 Gigabyte an Daten. Alle Zellen im menschlichen Körper speichern rund 100 Zettabyte an Daten, mehr Daten als die Menschheit bislang in digitaler Form produziert hat.

Die Idee, DNA als Speicher für Daten zu nutzen, sie hat – wie man sieht – einen gewissen Appeal, denn DNA ist in der Lage, große Mengen von Information auf kleinstem Raum zu speichern, in 3-D. DNA ist extrem stabil, so dass technische Neuerungen wie der Sprung vom Floppy zur CD und zur DVD und die dabei entstehenden hohen Transformationskosten vermieden werden können, denn DNA kann gespeicherte Information über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende konservieren. Die Fortschritte auf dem Feld der Mikrobiologie haben zudem dazu geführt, dass es schnell und billig möglich ist, DNA zu kopieren. Die einzigen Probleme, die sich mit DNA als Speicher und aus technischer Sicht verbinden, sind das Schreiben der Daten in die DNA, das Speichern der Daten, das Auslesen der Daten und das Lesen der Daten.

Alles Probleme, die zwischenzeitlich gelöst sind.

Die Idee, DNA als Speicher für Daten zu benutzen, ist bereit Ende der 1980er Jahre aufgekommen, Ende der 1990er Jahre war es bereits gelungen, Daten in DNA zu speichern. Fortschritte bei der Sequenzierung und der Synthese von DNA haben schließlich dazu geführt, dass DNA als Speichermedium erforscht und zu mittlerweile erstaunlicher Virtuosität entwickelt wurde. Von den 28 Basenpaaren, in denen Joe Davis im Jahre 1988 erfolgreich Information abgelegt hat (das Projekt trug den Namen “Microvenus”, für diejenigen, die es nachlesen wollen), hat sich die Forschung in geradezu Windeseile weiterentwickelt. 2016 gelang es Microsoft in Zusammenarbeit mit Luis Ceze und Karin Strauss von der University of Washington und in Zusammenarbeit mit Twist Bioscience, einem der wichtigsten Player im Feld, rund 1 Gigabyte an Daten aus Musik-Videos, Büchern aus dem Projekt Guttenberg und vieles mehr zu speichern und auszulesen. 2019 gelang es die komplette Wikipedia in DNA zu übertragen, und seit 2019 ist es Twist Bioscience möglich, lange Oligonukleotide zu synthetisieren und als Speichermedium zu nutzen. Dabei wird im Wesentlichen eine Phosphoramidit-Synthese durchgeführt, die Nukleinsäuren erzeugt. Das Verfahren ist der Polymerase Kettenereaktion, bei der ein Ausgangsstück DNA genutzt und verfielfältigt wird, insofern überlegen, als auf das Ausgangsstück DNA verzichtet werden kann. Statt dessen wird Silikon als Substrat genutzt, um DNA synthetisch zu erzeugen: weiter