Mächtige reagieren nur auf Entzug von Macht. Der wirksamste Machtbeweis ist die Selbstermächtigung des Einzelnen. Und das passiert gerade.
Wenn man merkt, dass etwas grundsätzlich schiefläuft, stellt sich irgendwann die Kardinalfrage für alle, die Änderungen umsetzen wollen: Was tun?
In dysfunktional gewordenen Demokratien, wie aktuell den westlichen, dreht jede normale bürgerschaftliche Aktivität mehr oder weniger frei, wir geben im Leerlauf Gas. Wahlen und Abstimmungen scheinen kaum etwas zu bewirken, Petitionen verpuffen, Protest allein wird es auch nicht bringen und was „Widerstand“ im Sinne des deutschen Grundgesetzes meinen soll, ist vielen ebenfalls nicht ganz klar. Fakt ist: Veränderung kommt weder von oben noch von einem Retter, sondern nur vom Einzelnen selbst, wenn dieser es schafft, sich mit anderen zusammenzuschließen. Dafür allerdings muss der Bürger die Illusion ablegen, dass Veränderungsaktivität delegierbar ist. Es geht hier also auch um eine Neukalibrierung des Staat-Bürger-Wirtschaft-Verhältnisses.
“Wir werden von Trotteln regiert”
Die Welt begegnet uns gerade wie eine Art Software, deren Updates man blind zustimmen muss, wenn man die bisher gekannten Freiheiten noch nutzen will. So geht es seit einem Jahr, es folgt Maßnahme auf Maßnahme, sei es Maskenzwang, Lockdown oder jetzt: Impfungen. Das wiederum führt zu Ohnmacht, Ohnmacht führt zu Frustration und Frustration führt zur regelmäßigen Entladung in immer neuen Wutkollektiven, sei es am Stammtisch oder im Netz.
Die Covid-Kritik wird aktuell auch in den Mainstream-Medien etwas schärfer, aber es brauchte zu lange dazu. Als ich im September in der NZZ die Frage stellte, ob nicht auch die Covidioten Recht haben könnten, galt das fast als Ketzerei. Inzwischen ist der Kolumnist Jan Fleischhauer so weit, die Regierung eine Trotteltruppe zu nennen. Ich denke man muss noch eine Windung dazudrehen: Es gehört einiges an Abgebrühtheit und Aufwand dazu, andere glauben zu lassen, man sei als Regierung etwas verplant und vertrottelt, der jetzige Zustand sei also „nur“ Versagen und nicht etwa mutwillige Sabotage. Ich denke letzteres ist näher an der Wahrheit. Aber vermutlich ist dieser Gedanke für viel zu monströs, um ihn an sich ranzulassen.
Wie dem auch sei: Es wird Zeit vom Leerlauf in den ersten Gang zu schalten und Gas zu geben. Die Zeiten dafür waren nie besser als jetzt. Die Werkzeuge dazu sind da, das Wissen ist verfügbar. Allein die Umsetzung fehlt. Die Gesellschaft bringt ihre PS nicht auf die Straße.
Wie es geht zeigten in den letzten Wochen ein paar Kleinanleger in den USA. Ihr Beispiel mag nicht perfekt sein, illustriert aber worum es geht. Große Hedgefonds hatten Aktien der Firma Game Stop leerverkauft, also auf fallende Kurse gesetzt. Dann sammelten sich Kleinanleger auf der Plattform Reddit und drehten den Spieß um. Sie verabredeten sich, die Aktie zu kaufen. Der Kurs schoss in die Höhe, die Hedgefonds mussten ihre Leerverkäufe „decken“ und die Aktie zu immer höheren Preisen zurückkaufen.
Die Kleinanleger entfachten eine richtig gehende Revolutionsparty, schworen sich darauf ein, die Aktien selbst „nie“ zu verkaufen, posteten lustige Memes, kauften mit ihren Gewinnen sogar riesige Werbebanner auf dem Times Square und anderswo. Hedgefonds schlitterten in die Pleite, verloren Milliarden, die Trading-Plattform „Robinhood“ schränkte den Handel der Aktie ein, musste sich selbst Geld nachschießen lassen. Inzwischen wird der Kanal auf Reddit selbst zensiert, Moderatoren wurden entfernt. Der Aufruhr war in den letzten Wochen groß, die Geschichte ging durch alle großen Medien, die sich im Tenor häufig auf die Seite der großen Fonds schlugen und sogar vor einem Kollaps des Finanzsystems warnten.
Das wiederum muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Eine Gruppe von Kleinanlegern mit lustigen Memes auf Reddit soll ernsthaft eine Gefahr für das Finanzsystem sein? Vertrauensbildend ist das nicht gerade. weiter
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