Alex Feuerherdt/Florian Markl, Die Israel-Boykottbewegung. Alter Hass in neuem Gewand, Geleitwort von Frank Müller-Rosentritt, Hentrich & Hentrich Berlin Leipzig 2020, 194 Seiten
Das Autorenduo Feuerherdt/Markl ist den Lesern des SPME-Faculty noch sehr gut als Verfasser des kritischen Buches über die UNO und ihre Israelpolitik (2018) in Erinnerung. Im gleichen Verlag wie das vorherige ist nun diese brandaktuelle und gründliche Abrechnung mit dem Phänomen BDS erschienen.
Pünktlich zur Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten und nach der bekanntgewordenen Niederlage des Präsidenten Donald Trump, krochen die Israelhasser aus ihren Löchern, um sich dem neuen demokratischen Präsidenten Joe Biden zu empfehlen. Die öffentlichen Auftritte in mehreren Staaten der sogenannten „Intellektuellen“ in der Bundesrepublik oder in dieser Hinsicht einschlägig bekannter NGOs in Israel sehen ganz nach einer länger geplanten und konzertierten Aktion aus. Man fragt sich, wer diese Aktion zum gegenwärtigen Zeitpunkt koordiniert und finanziert hat, wo die Beteiligten mantraartig beteuern, BDS sei keine Bewegung, nur ein spontaner Zusammenschluss politisch „Besorgten“- ein Schelm, der Böses dabei denkt.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde am 17. Mai 2019 der Bundestagsbeschluss in Sachen BDS gefasst. Dieser Beschluss verurteilt den BDS, dessen Argumentationsweise, die Methoden (und die damit verbundenen Aktivitäten) parteiübergreifend als antisemitisch motiviert. BDS ist, wie der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt, der an dem BDS-Bundestagsbeschluss maßgeblich beteiligt war, in seinem Geleitwort sagt, „keine rechtsextreme Bewegung des Hasses, sondern eine bürgerlich-linke Bewegung des guten Gewissens“. Man hätte meinen können, hierzulande wäre allen klar, was hinter dem BDS, den Bestrebungen steht, Israel mittels dreier Druckmittel „Boycott, Divestment, Sanctions“ international zu isolieren, zu schädigen und schließlich vernichten zu können. Der Bundestagsbeschluss war ja ein logischer Schritt im Einklang mit der deutschen Staatsräson, nach der das Existenzrecht Israels und seine Sicherheit verteidigt werden müssen.
Doch weit gefehlt! Die gerade im Dezember 2020 mit einem Paukenschlag vorgeführte sogenannte „Initiative GG5,3 Weltoffenheit“, wurde teilweise von Nobodys und solchen, die im Lande als notorische „Israelkritiker“ ausgewiesen sind, unterzeichnet. Diese Personen des öffentlichen Lebens, darunter Akademiker und sogenannte Kulturschaffende samt den von ihnen geführten Institutionen, die allesamt staatlich finanziert werden sowie selbsternannte „Intellektuelle“, die sich für die vermeintlich defizitäre Meinungsfreiheit im Umgang mit dem BDS einsetzen, haben auch ein Echo in den Medien erhalten. Das Jerusalemer „Simon Wiesenthal Center“ unter der Direktion des Historikers Efraim Zuroff hat diese „Initiative“ und die unterzeichnenden Institutionen – darunter die Zentrale für Politische Bildung, das Goethe-Institut, das Berliner Künstlerprogramm des DAAD, Haus der Kulturen der Welt, Off-Theater Hebbel am Ufer, Jüdisches Museum Hohenems, Kulturstiftung des Bundes, Berliner Festspiele, Deutsches Theater in Berlin, das Potsdamer Einstein Forum und Moses Mendelssohn Zentrum u.a. – auf die jährliche Liste der größten Antisemiten gesetzt. In der Tat ist es unbegreiflich, dass gerade deutsche Institutionen, die Wissen über jüdische Geschichte und Kultur vermitteln sollen, einige wohl dotierte und vom deutschen Steuerzahler alimentierten Hochschullehrende oder Museumsleiter nichts dabei finden, sich auf die Seite der Boykotteure israelischer Künstler und ihrer akademischen Kollegen zu schlagen, anstatt gegen diese zu Felde zu ziehen. Vereint in ihrem Israelhass sind Juden und Nichtjuden, die fälschlich behaupteten, ihnen werde verwehrt, bestimmte Redner einzuladen – so etwa verstieg sich Susan Neiman, Direktorin des Einsteinforums in Potsdam, zu der Aussage, heute hätte sie weder Hannah Arendt noch Albert Einstein einladen dürfen.
Auf solch primitivem Niveau haben sich etliche der Unterzeichner zu der vielfach kritisierten Einladung an den afrikanischen Professor Achille Mbembe durch die damalige Programmdirektorin des Kulturfestivals „Ruhrtriennale 2020“, eine Keynote-Rede zu halten, geäußert. Der Kolonialismusforscher, ein Befürworter des BDS, hatte selbst eine israelische Professorin von einer Konferenz ausgeladen, welche ausgerechnet ein Projekt zur israelisch-arabischen Zusammenarbeit präsentieren wollte, nennt Israel einen Apartheid-Staat. Diese Erklärung hat die unqualifizierte und geschichtsklitternde linksideologische Israelfeindschaft der Unterzeichner ans Licht gezerrt. Die Tatsache, dass diese eben der kulturellen Elite des Landes angehören, lässt bezüglich des herrschenden Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft größte Sorge zu. Die Antisemitismus-Beauftragten und jüdische Organisationen wie AJC oder der Zentralrat der Juden in Deutschland haben diese Initiative scharf kritisiert.
Um zu verstehen, was sich hinter diesen und früheren Aktionen verbirgt, ist das Werk von Feuerherdt und Markl bestens geeignet. In der bewährten systematischen und wohl dokumentierten Weise führen die Autoren die Unkundigen wie die Wissenden in die Materie ein. In sieben Kapiteln stellen die beiden die Geschichte der Boykottbewegung gegen Israel dar, die sie überzeugend als ein „Friedenhindernis“ und nicht als „Friedensprojekt“ darstellen. Diese Boykottbewegung ist auch nicht neueren Datums, wie gern behauptet wird, nicht mit der angeblichen „Naqba“ von 1948 zusammenhängend und auch nicht 1967 nach dem Sechs-Tage-Krieg entstanden, ja, nicht mal in den Anfangsjahren des 21. Jahrhunderts. Nein, der Boykott wurde bereits 1922 auf einem Arabischen Kongress in Nablus initiiert, als dort dazu aufgerufen wurde, den Bezug jüdischer Waren aus dem Jischuw und Landverkäufe an Juden zu verbieten. weiter