von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 2. März 2020
Der arabische Taxifahrer auf dem Weg zum Supermarkt fluchte. „Das ist ja heute schlimmer als an normalen Tagen“, sagte er, während er durch die verstopften Straßen schlich. Er hatte beim Einsteigen einen „Preis“ für die Fahrt genannt. Normalerweise ist angeraten, im Taxi einen solchen Fixpreis nicht zu akzeptieren, sondern in jedem Fall die Taxi-Uhr laufen zu lassen. Und tatsächlich hatte er sich kräftig geirrt. Das Taximeter zeigt fast 25% mehr an, als der von ihm vorgeschlagene Preis.
In Israel muss immer an einem Werktag gewählt werden, weil am Sabbat die Frommen weder mit dem Auto fahren noch schreiben dürfen.
Die dritte Wahl innerhalb eines Jahres fand deshalb am Montag statt. Per Gesetz ist das ein arbeitsfreier Tag, weshalb die Wahlen dem Staat ein Vermögen kosten. Weil es bei beiden vorigen Urnengängen keinen klaren Sieger gab, musste jetzt ein drittes Mal gewählt werden. Keiner der Kandidaten hatte mitsamt seinem „Lager“ die notwendigen 61 Mandate erlangt, um in der Knesset, dem Parlament mit 120 Sitzen, eine absolute Mehrheit für die Regierungsbildung zu erlangen.
Insgesamt 6700 Israelis sind „Corona-verdächtig“ und befinden sich in ihrem eigenen Heim oder im Hospital in Quarantäne. Sie dürfen keinen Bus besteigen und nicht in den üblichen Wahllokalen wählen. Für sie wurden im ganzen Land verteilt insgesamt 20 separate Wahllokale eingerichtet, wo Hilfspersonal mit Schutzanzügen und Gummihandschuhen bereitstanden. An diesen Lokalen gab es besonders lange Schlangen, zumal die Krankheitsverdächtigen jeweils mindesten 2 Meter Abstand voneinander hielten, um nicht infiziert zu werden oder andere anzustecken.
Aber die Corona-Hysterie hatte auch einen positiven Einfluss auf die Wahlen. Tausende Israelis, was etwa 3 Mandate entspricht, hatten auf ihre geplante Auslandsreise verzichtet. Das wiederum hatte zur Folge, dass es diesmal die höchste Wahlbeteiligung seit 30 Jahren gab. Bis 18 Uhr hatten 56,3 Prozent gewählt. Das entsprach einer Steigerung von mindestens 3 Prozent im Vergleich zu früheren Wahlgängen.
Wie die Wahlen ausgehen, weiß im Moment, zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels, noch niemand. Die Wahllokale werden erst um 21 Uhr MEZ schließen und bis dahin dürfen keine Hochrechnungen veröffentlicht werden.
Sowie die Urnen geschlossen sind, hoffen alle auf einen klaren Sieger, gleichgültig ob es „Bibi“ Netanjahu ist, oder der Exgeneral Benny Gantz. Denn niemand Lust auf einen vierten Wahlgang infolge der Pattsituation, bei der niemand ausreichend Mandate erhält, um in der Knesset das Vertrauensvotum zu überstehen.
(C) Ulrich W. Sahm