In aller Welt protestieren Menschen für mehr Freiheit und Demokratie, gegen Bevormundung, sinkende Lebensstandards und steigende Steuern. In Deutschland hingegen ist nicht der Mut zu Veränderung, sondern Angst und Panik das beliebteste Motiv politischer Proteste.
Vor etwas mehr als einem Jahr, am 17. November 2018, gingen in Frankreich knapp 300.000 Menschen in gelben Westen an mehr als 2.000 Orten auf die Straßen und blockierten Kreuzungen und Tankstellen. Auslöser der Proteste war die von Staatspräsident Emmanuel Macron zur Finanzierung der französischen Energiewende geplante höhere Besteuerung fossiler Kraftstoffe. Tatsächlich waren die Steuererhöhungen jedoch nur ein Symbol für die von vielen Franzosen persönlich empfundene Benachteiligung und Marginalisierung. Da in Paris lediglich 13 Prozent der Menschen mit dem Auto fahren, wurde die Benzinsteuererhöhung schnell als Sondersteuer für die Landbevölkerung interpretiert. Da zudem das Bruttosozialprodukt der wenigen französischen Metropolregionen um die Hälfte höher ist als im Rest des Landes, ist es kein Wunder, dass sich viele Franzosen auch fühlen wie „der Rest“ und so die Proteste gewaltsam nach Paris und in andere Großstädte getragen wurden.
Aufstand der Marginalisierten
Nicht umsonst skandierten die Demonstranten immer wieder den Slogan: „Die Regierung redet vom Ende der Welt, wir vom Ende des Monats!“ Auch wenn heute im Vergleich zum November 2018 nur noch wenige zu den Demonstrationen der Gelbwesten kommen: Weder die Lage noch die Stimmung der Menschen haben sich nicht verändert. Weiterhin halten zwei Drittel aller Franzosen die Forderungen der Gelbwesten für richtig – allen Bemühungen der französischen Regierung zum Trotz, die Bewegung zu diffamieren, zu kriminalisieren und blutig niederzuschlagen. Die Menschen fühlen sich auch weiterhin als die Ignorierten, die Marginalisierten und Übergangenen in einer hauptsächlich auf die urbanen Eliten fokussierten politischen Landschaft. Die Proteste mögen abflauen, nicht aber die Unzufriedenheit und die Wut – und auch nicht das flaue Gefühl im Magen der französischen Politik.