Es soll keiner Behaupten, es hätte nicht frühzeitig Warnungen gegeben. Anbei stellt GMW nochmals Artikel zur Verfügung die 14 Jahre alt sind, die längst von der Gegenwart eingeholt worden sind:
Die Linken und die Faschisten
Kolumne
von Hannes Stein
Irgendwann in der Zeit des Hitler-Stalin-Paktes besuchte der dänische Schriftsteller Martin Andersen Nexö Bertolt Brecht in seinem Haus in Svendborg. Andersen Nexö war gerade in Moskau gewesen, und nun erzählte er dem Exilanten Brecht, was er dort von seinen Genossen gelernt hatte: „Der Nationalsozialismus ist der besondere deutsche nationale Weg zum Sozialismus. Adolf Hitler ist ein Verbündeter im Kampf gegen den Kriegstreiber Winston Churchill und den britischen Imperialismus. Die deutschen Kommunisten haben die Pflicht, in diesem Punkt umzulernen.“ Brecht klappte die Kinnlade nach unten.
Warum mir diese kleine Episode gerade jetzt einfällt? Weil ich vor ein paar Tagen das Vergnügen hatte, einen gestandenen Linken kennenzulernen, einen Veteranen der 68er Bewegung. Dieser überaus charmante Mann versicherte mich – nachdem er saftig über die amerikanischen Kriegstreiber geschimpft hatte – seiner Sympathien für die Ayatollahs im Iran. Die iranische Revolution von 1979, sagte er, sei der Versuch Persiens gewesen, endlich wieder zu sich selber zu finden, nach Jahren der westlichen Einflußnahme; schließlich hätten die Amerikaner den demokratisch gewählten Mossadeq gestürzt und an seiner Stelle den Schah installiert. Gewiß sei es in der iranischen Revolution zu manchen Unerfreulichkeiten gekommen. Das sei nun einmal so bei Revolutionen, es gelte zum Beispiel auch für die Französische Revolution. Auf meinen Einwand, mir sei nicht recht wohl bei dem Gedanken an ein nuklear bewaffnetes Ayatollah-Regime, meinte jener Linke: Der Iran strebe doch nur deshalb nach der Atombombe, weil er sich gegen Israel verteidigen müsse. Das sei doch ganz und gar verständlich.
Mir klappte der Kiefer nicht nach unten. Ich bin ja doch schon einiges gewohnt. Dennoch verblüffte mich die brutale Offenheit dieser Parteinahme.
Als ich wieder zu Hause war, nahm ich Paul Bermans Buch „Terror und Liberalismus“ aus dem Regal und las den Abschnitt über Paul Faure und seine Anhänger in der Sozialistischen Partei Frankreichs. Das war in den dreißiger Jahren: Léon Blum war an der Macht, und er verband sozialen Humanismus mit einem patriotisch gefärbten, einem militanten Antifaschismus. Die Anhänger von Paul Faure in der Sozialistischen Partei waren damit überhaupt nicht einverstanden. Als Pazifisten stellten sie ein paar unangenehme Fragen: War Deutschland durch den Versailler Vertrag nicht schrecklich gedemütigt worden? Vertrat Hitler also nicht auch legitime Interessen? Und ist jede Kritik an Juden notwendig antisemitisch? War nicht auch Léon Blum, ihr innerparteilicher Widersacher, ein Jude? 1940 fiel die Wehrmacht in Frankreich ein. Marschall Pétain schlug sich auf die Seite der Sieger und bildete eine nazifreundliche Regierung, Blum wurde ins Konzentrationslager deportiert. Und die Pazifisten unter Frankreichs Sozialisten stimmten in der Nationalversammlung für die Regierung des Marschalls Pétain.
Es ist ein Mythos, denke ich und klappe Bermans Buch zu – es ist einfach nicht wahr, daß Linke in der Geschichte immer und notwendig Antifaschisten gewesen sind. Gegenbeispiele: Die Kommunisten von 1939 bis 1941, als Stalin Juden, die aus Deutschland und Österreich in die Sowjetunion geflüchtet waren, an seinen Freund Hitler auslieferte, als in Moskau „Mein Kampf“ auf russisch gedruckt wurde. Die Paul-Faure-Sozialisten in Frankreich, wie gesehen. Und nicht zu vergessen: die britischen Pazifisten der vierziger Jahre, die Churchill mehr haßten als Hitler und die Opfer der Nazis aus tiefstem Herzen verachteten. All das hängt der Linken bis heute nach. Die Linken glauben, sie seien fortschrittliche Leute, also gegen den Virus des Faschismus immun – und stecken sich ein ums andere Mal wieder an. Man muß kein Prophet sein, um vorherzusagen, daß große Teile der europäischen Linken sich ohne rhetorische Verrenkungen an die Seite der islamistischen Schlächter stellen werden. Vom humanistischen Erbe der Linken wird, wenn dieser Krieg gegen den Terror vorbei ist, nichts mehr übrig sein. Und das ist eigentlich schade.
Hannes Stein ist Sachbuch-Redakteur der WELT. Er schreibt jeden zweiten Dienstag an dieser Stelle.
Artikel erschienen am Di, 5. Oktober 2004
http://www.welt.de/data/2004/10/05/341871.html?search=Die+Linken+und+die+Faschisten&searchHILI=1
Das muslimische Europa
Tue, 11 May 2004
von Daniel Pipes
New York Post
11. Mai 2004
http://de.danielpipes.org/article/1799
Englischer Originaltext: Muslim Europe
„Europa wird immer mehr zu einer Provinz des Islam, einer Kolonie des Islam.“ Das behauptet Oriana Fallaci in ihrem neuen Buch „La Forza della Ragione“ („Die Kraft der Vernunft“). Und die berühmte italienische Journalistin hat recht: Die alt hergebrachte Festung Europa des Christentums macht rapide dem Islam Platz.
Hauptsächlich zwei Faktoren tragen zu dieser die Welt erschütternden Entwicklung bei.
- Die Aushöhlung des Christentums. Europa ist zunehmend eine post-christliche Gesellschaft, eine mit einer sich vermindernden Verbindung zu ihrer Tradition oder ihren historischen Werten. Die Zahl gläubiger, praktizierender Christen ist in den letzten zwei Generationen so weit zusammengebrochen, dass einige Beobachter es den „neuen dunklen Kontinent“ nennen. Analysten schätzen bereits, dass die britischen Moscheen jede Woche mehr Beter zu Gast haben als die Kirche von England.
- Eine schwache Geburtenrate. Die einheimischen Europäer sterben aus. Um eine Bevölkerung zu erhalten, muss eine jede Frau im Durchschnitt 2,1 Kinder zur Welt bringen; in der Europäischen Union liegt die gesamte Rate um ein Drittel zu niedrig, bei 1,5 Kindern pro Frau, und fällt. Eine Studie befindet, dass, sollte sich der gegenwärtige Bevölkerungstrend fortsetzen und die Einwanderung aufhören, die heutige Bevölkerung von 375 Millionen bis 2075 auf 275 Millionen fallen könnte. Um die Zahl seiner Arbeitskräfte auf dem heutigen Niveau zu halten, braucht die EU jährlich 1,6 Millionen Einwanderer; um das heutige Verhältnis von Arbeitnehmern zu Rentnern zu halten, müssen im Jahr erstaunliche 13,5 Millionen Menschen einwandern.
Die Lücke füllen der Islam und Muslime. So, wie das Christentum nachlässt, so robust ist der Islam, so durchsetzungsfähig und ambitioniert. Während die Europäer sich erst in höherem Alter und in geringer Zahl vermehren, tun Muslime das in großer Zahl in jungen Jahren.
Rund 5 Prozent der EU – oder fast 20 Millionen Menschen – identifizieren sich derzeit als Muslime; sollte der gegenwärtige Trend sich fortsetzen, wird diese Zahl bis 2020 zehn Prozent erreichen. Wenn Nicht-Muslime vor der neuen islamischen Ordnung fliehen, was wahrscheinlich erscheint, dann könnte der Kontinent innerhalb einiger Jahrzehnte mehrheitlich muslimisch sein.
Wenn das passiert, werden große Kathedralen als Spuren einer früheren Zivilisation erscheinen – zumindest, bis ein Regime im Stile der Saudis sie in Moscheen verwandelt oder ein talibanartiges Regime sie sprengt. Die großen nationalen Kulturen – die italienische, die französische, die englische und andere – werden vermutlich verkümmern, ersetzt durch eine neue, transnationale muslimische Identität, die nordafrikanische, türkische, subkontinentale und andere Elemente verschmilzt.
Diese Vorhersage ist nicht neu. 1968 hielt der britische Politiker Enoch Powell seine berühmte „Ströme von Blut“-Rede, in der er warnte, dass das Vereinigte Königreich durch die Erlaubnis übermäßiger Immigration „sich das eigene Grab schaufele“. (Diese Worte bremsten eine bis dahin viel versprechende Karriere.) 1973 veröffentlichte der französische Schriftsteller Jean Raspail „Das Lager der Heiligen“, ein Roman, der Europa als der massiven, unkontrollierten Einwanderung aus dem indischen Subkontinent zum Opfer fallend beschreibt. Die friedliche Verwandlung einer Region von einer Zivilisation zu einer anderen, die jetzt im Gange ist, hat es in der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben, was es einfacher macht, solche Stimmen zu ignorieren.
Es gibt immer noch eine Chance, dass diese Verwandlung sich nicht abspielt, aber diese Aussichten verringern sich mit der Zeit. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das aufzuhalten:
- Veränderungen in Europa, die zu einem Wiederaufleben des christlichen Glaubens führt, einer Erhöhung der Geburtenrate oder die kulturelle Assimilation der Einwanderer; solche Entwicklungen könnten theoretisch geschehen, aber was sie auslösen sollte, kann man sich nur schwerlich vorstellen.
- Musilimische Modernisierung: Aus Gründen, die niemand bisher richtig herausgefunden hat (Frauenbildung? Abtreibung auf Verlangen? Sind Erwachsene zu sehr auf sich selbst gerichtet, um Kinder zu haben?), führt die Moderne zu einer drastischen Reduktion in der Geburtenrate. Würde sich außerdem die muslimische Welt modernisieren, verringerte sich die Attraktivität eines Umzugs nach Europa.
- Einwanderung aus anderen Quellen: Lateinamerika als christlicher Kontinent würde Europa mehr oder weniger erlauben, seine historische Identität beizubehalten. Hindus und Chinese würden die Vielfalt der Kulturen erhöhen und es damit weniger wahrscheinlich machen, dass der Islam dominiert.
Die gegenwärtigen Trends lassen vermuten, dass die Islamisierung stattfinden wird, denn die Europäer scheinen es anstrengend zu finden Kinder zu haben, illegale Zuwanderung zu stoppen oder die Herkunft ihrer Einwanderer vielfältiger zu machen. Statt dessen ziehen sie es vor sich unerfreut in zivilisatorischer Senilität niederzulassen.
Europa hat gleichzeitig nie da gewesene Höhen an Wohlstand und Friedfertigkeit errecht – und eine einzigartige Unfähigkeit gezeigt, sich selbst zu erhalten (der Demograph Wolfgang Lutz vermerkt, dass „man das negative Moment in der Weltgeschichte noch nicht in großem Stil erfahren hat“).
Ist es unvermeidlich, dass die brillanteste erfolgreiche Gesellschaft auch die erste ist, die Gefahr läuft zu kollabieren, weil es ihr an kulturellem Selbstvertrauen und an Nachkommen fehlt? Ironischerweise scheint die Schaffung eines Ortes, an dem man enorm gerne lebt, auch ein Rezept für Selbstmord zu sein. Die menschliche Komödie geht weiter.
Das Artikelarchiv von Daniel Pipes finden Sie unter http://de.danielpipes.org